Energiesparen wird verbindlich

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Ein Interview zu den Auswirkungen des Klimaschutzgesetzes für Unternehmen.

Von Detlef Burrichter für die "Wirtschaft INFORM" der Wirtschaftsförderung Hamm

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Die Bundesregierung hat im September 2019 mit dem Klimaschutzgesetz ambitionierte Vorgaben beschlossen. Im Vergleich zu 1990 sollen die Treibhaus-Emissionen in Deutschland bis 2050 um 80 bis 95 Prozent sinken. Auf lokaler Ebene hat der Rat der Stadt Hamm außerdem eigene Klimaschutzziele vorgegeben. Manfred Rauschen vom Öko-Zentrum NRW und Johannes Auge von B.A.U.M. Consult erläutern die Konsequenzen für Unternehmen.

Was kommt jetzt auf die Unternehmen zu?

Manfred Rauschen: Die gesetzlichen Vorgaben sind verbindlich. Sie werden ohne Wenn und Aber zu erfüllen sein. Im März 2021 liegen die Kennzahlen für 2019 vor und dann wird es Sofortmaßnahmen in den Bereichen geben, in denen die Zielvorgaben nicht erfüllt wurden. Jahr für Jahr werden die Anforderungen an den Klimaschutz klarer werden. Die Unternehmen sind mehrfach betroffen: Sie müssen die Treibhausgase, die sie selber emittieren, deutlich herunterfahren. Außerdem sind nahezu alle Produkte in den Lieferketten betroffen. Ein aktuelles Beispiel für die Kettenreaktionen, die das auslöst, ist die Automobilindustrie, die gerade eine Strukturwandel erlebt.

Johannes Auge: Industrie und Gewerbe erzeugen mehr als ein Drittel aller CO2-Emissionen. Die Unternehmen sind zugleich die Innovationstreiber und verfügen über Kapital, das für eine zügige Umsetzung der Klimaschutzziele eingesetzt werden kann. Der Staat alleine kann das nicht schaffen. Das Engagement der Unternehmen ist deshalb extrem wichtig. Machen die Unternehmen den Klimaschutz zu ihrer Sache, wird das die Umsetzungsdynamik erheblich befördern.

Sind die Unternehmen ausreichend vorbereitet?

Auge: Längst hat ein Umdenken eingesetzt. Viele Unternehmer sind proaktiv eingestellt. Sie wollen genau wissen, was von ihnen verlangt wird und fordern von der Politik klare Rahmenbedingungen für die nächsten zehn Jahre. Das schafft Planungssicherheit, denn Unternehmer wollen sich rüsten. Die Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes in den Unternehmensstrategien wächst seit Jahren.

Wo stehen die Betriebe in Hamm in dem Veränderungsprozess?

Rauschen: Beim Jahres-Wirtschaftsgespräch der IHK im Januar hat sich gezeigt, dass das Interesse der Hammer Unternehmen an diesem Thema riesengroß und in Teilen der Unternehmerschaft angekommen ist. Es gibt auch klare Parameter, die das antreiben. Ab 2022 kostet die Tonne CO2- Emission 40 Euro. Von Jahr zu Jahr wird der Preis steigen. Diese ökonomischen Rahmenbedingungen haben großen Einfluss auf die Unternehmen. Ich erwarte eine enorme Kreativität. Produkte und Dienstleistungen werden sich ändern.

Wie können Firmeninhaber vorausschauend handeln? Was können, was sollten sie hier und heute tun?

Rauschen: Der erste Schritt sollte die CO2-Bilanzierung des eigenen Unternehmens sein. Danach weiß ein Unternehmer, in welchem Umfang er was emittiert: Mit dem Gebäude, in dem gearbeitet wird, mit dem Fuhrpark usw. Auch die Wege, die die eigenen Produkte nehmen sowie die Zulieferung der Vorprodukte und Rohstoffe gehören in eine solche Betrachtung. Die CO2-Bilanzierung des eigenen Unternehmens ist der Schlüssel zur Steuerung.

Auge: Für Unternehmer kann es außerdem ein Anreiz sein, Vorreiter seiner Branche zu werden. Für manche hat das eigene Geschäft nur dann eine Zukunft, wenn sie auf diesem Feld punkten. Auch im Wettbewerb um Fachkräfte kann es heute ein Pluspunkt sein, für die Umwelt etwas zu tun. Zudem sollten sich Unternehmen mit anderen vorausschauenden Betrieben vernetzen und die vorhandenen Projekte und Fördermittel nutzen.

Viele Unternehmen haben alte Bestandsgebäude. Wie schätzen Sie die Affinität ein, in die energetische Sanierung zu investieren?

Rauschen: Die Investitionsbereitschaft von Unternehmen in die Energieeffizienz war auch schon in den vergangenen Jahren hoch. Das auch in Hamm bekannte Projekt Öko-Profit zeigt, dass Unternehmer mitmachen, wenn es sich rechnet. Freilich bedarf es zur energetischen Ertüchtigung der Gebäude höherer Investitionen, die sich erst über einen langen Zeitraum amortisieren. Davor schrecken Unternehmer zurück. Ich bin aber sicher, dass sich die Einstellung dazu ändern wird. Die Fördersituation hat sich deutlich verbessert, diese Anreize werden die Bereitschaft zur Investition ankurbeln. Und nirgendwo sonst lassen sich höhere CO2-Einsparungen erzielen.

Welche Rolle sollte dabei die Stadt Hamm übernehmen?

Auge: Grundsätzlich ist es in allen Bereichen wichtig, dass sich die Stadt ihrer Vorreiterrolle bewusst ist. Die energetische Ertüchtigung ihrer eigenen Gebäude wäre deshalb sicherlich eine gute Idee.

Wird die vom Rat beschlossene Klimaschutzagentur eine nachhaltige Wirkung entfalten?

Rauschen: Hamm will bis 2035 klimaneutral sein. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Die Klimaschutzagentur ein strukturelles Element auf dem Weg dorthin: Sie ist dazu da, Kompetenzen zu bündeln, Kampagnen zu betreiben, Netzwerke zu bilden. Ich halte das für einen guten Weg. Denn es geht um einen Richtungswechsel. Im Kern geht es um jede einzelne Entscheidung; sei es, ob ein Auto angeschafft oder ein neues Haus gebaut werden soll.

Wo könnte Hamm eine Vorreiterrolle einnehmen?

Rauschen: Wir sind als Energiestadt bekannt, das bietet ungeheure Chancen. Die Idee, in Uentrop ein Wasserstoffzentrum zu errichten, finde ich brillant. Unser Kraftwerksstandort hat das Potenzial dazu, unter den neuen politischen Rahmenbedingungen ein Zukunftsstandort zu sein. Das kann ein Standortvorteil für Hamm werden.

Auge: Hamm hat ein Klimabündnis, das mit seinen Aktivitäten bundesweit für Furore gesorgt hat. Das Engagement der gesellschaftlichen Kräfte in Hamm sollten die Verantwortlichen der Stadt dazu nutzen, die Klimaschutzziele gemeinsam in die Tat umzusetzen. Damit könnte Hamm eine Vorreiterrolle einnehmen.

 

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