Liebe Leserinnen und Leser,
das war selbst den abendlichen TV-Nachrichten eine Meldung wert: Vonovia, der zukünftig größte Immobilien-Konzern Europas, legt seine Neubaupläne auf Eis. Und nicht nur ein einzelner Branchenriese vollzieht dies als Reaktion auf erheblich gestiegene Zinsen und Baukosten - viele andere Wohnungsbauunternehmen und private Investoren folgen derzeit diesem Beispiel. Ein fatales Signal angesichts des Wohnungsmangels.
Es fragt sich, wie diese Entwicklung mit dem politischen Ziel in Einklang zu bringen ist, jährlich 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen. Hinzu kommt: Die Zuwanderung der letzten Zeit - 800.000 Menschen kamen allein 2022 nach Deutschland - hat die Situation in dem ohnehin unter Druck stehenden Wohnungsmarkt weiter verschärft. Auch wenn viele der Geflüchteten aus der Ukraine hoffentlich bald in eine dann befriedete Heimat zurückkehren können, wird die Lage in vielen Regionen und Städten stark angespannt bleiben.
Die gerade veröffentlichten Konditionen für die Neubauförderung seitens des Bundesbauministeriums stellen vor diesem Hintergrund zugleich Licht und Schatten dar. Einerseits vermögen sie es nicht, die „Wirtschaftlichkeitslücke“ im Wohnungsbau auch nur annähernd zu schließen. Andererseits bilden sie einen Einstieg in eine konsequente Berücksichtigung der Grauen Energie: Die beiden Förderstufen halten an den Ansprüchen bezüglich der energetischen Qualität der Gebäude fest und kombinieren sie mit Mindestanforderungen an Lebenszyklus-Analysen beziehungsweise ganzheitliche Nachhaltigkeits-Zertifizierungen. Zudem begünstigen sie die Schaffung kleinerer Wohneinheiten und sind insbesondere für Einfamilienhäuser eher unattraktiv. Die Marschrichtung stimmt somit.
Insgesamt jedoch stellen sich der Politik mehr Fragen, als allein durch die Bauförderung beantwortet werden können. Lösungen müssen auch gesellschaftlich, architektonisch und technisch gefunden werden. Als Beispiele seien genannt eine bessere Verteilung der Menschen auf den vorhandenen Wohnraum, flexiblere Wohnformen und serielles Bauen. Die „eine große Lösung“ gibt es nicht; wir brauchen viele Lösungen – und Kreativität.
Ihr Manfred Rauschen
Geschäftsführender Gesellschafter