Das Potential wäre viel größer

Allgemeines |

GF Manfred Rauschen im Interview mit Solarthemen

Solarthemen: Das Gebäudeenergiegesetz kommt bald. Damit werden erneuerbare Energien und Energieeffizienz in einem Gesetz zusammengefasst. Wie bedeutsam ist dieser Schritt?

Manfred Rauschen: Das ist sicherlich ein Schritt der Vereinfachung, um nicht in mehreren Gesetzen blättern zu müssen. Gleichwohl ist der Begriff der Vereinfachung nicht so zu verstehen als hätte man dann alle Aspekte auf wenigen Seiten zusammengefasst. Energieeffizientes Bauen ist komplex und das spiegelt das Gebäudeenergiegesetz, das GEG, auch so wider.

Können Sie kurz skizzieren, was technisch im Baubereich zur größtmöglichen Reduktion von Energieverbräuchen heute schon zu vertretbaren Kosten möglich ist?

Sehr viel ambitioniertere Ansätze ener­getischer Standards, als derzeit gesetzlich vorgeschrieben, sind wirtschaftlich umzusetzen. Es wird zwar sicherlich noch einen Bereich geben, wo gebäudeabhängig Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz etwas miteinander streiten, aber viele Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen beziehen derzeit die Realitäten nicht konsequent mit ein. Wir bewegen uns bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in einem Feld, wo wir einerseits die schon beschlossenen Verteuerungen durch die Kohlendioxid-Bepreisung miteinbeziehen müssen und andererseits die Kosten-Nutzen-Relation mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Treibhausgasreduktion betrachten müssen. Dabei kommt man zu Grenzkosten der Einsparung und die sind im Gebäudebereich sehr gering. Und daher sind wir gerade im Gebäudebereich in der Lage, noch erheblichere Einsparungen durchzusetzen, ohne uns wirtschaftlich zu verheben.

Wenn man diesen Ansatz für richtig hält, geht dann das GEG in die richtige Richtung? Und ist er hier konsequent genug?

In die richtige Richtung möglicherweise ja, aber längst nicht konsequent genug. Gerade bei den Neubauanforderungen wäre sicherlich eine Verschärfung des Anforderungsniveaus klimapolitisch sinnvoll gewesen. Darüber hinaus fehlt der ganze Bereich des nachhaltigen Bauens, das Thema der grauen Energie, das Thema der Ressourceneffizienz insgesamt, was Flächenverbrauch betrifft. Mit Grauer Energie bezeichnet man die Energie, die zu Herstellung und Transport von Baustoffen aufgewendet müssen und unterscheidet dabei, ob diese Energie aus regenerativen Quellen kommt oder nicht. Und es fehlt auch der Umgang mit Gesundheit und natürlichen Rohstoffen, wie Wasser und Grünflächen, aber auch die Klimafolgenanpassung, wie zum Beispiel die zunehmende Überhitzung. Das sind alles Themen, die komplett ausgespart werden.

Nun scheint sich bei der Berliner Koalition die Ansicht durchzusetzen, dass man zwar Klimaschutz auch im Baubereich erreichen möchte, aber dennoch die Standards nicht zu hoch hängen möchte. Stattdessen will man energieeffizientes Bauen und den Einsatz erneuerbarer Energien über Fördermittel anreizen.

Der Grundgedanke ist nicht ganz falsch. Aber er ist eben auch oft vorgeschützt, weil man damit auch lascheren Standards begründen möchte. Ich denke, es sollten beide Möglichkeiten genutzt werden: Sowohl die Mindeststandards zu verschärfen als auch Fördermittel für diejenigen bereitzustellen, die noch etwas mehr machen wollen.

Haben wir denn im Förderbereich schon die richtigen Instrumente, um Nachhaltiges Bauen anzureizen?

Die bestehenden Förderungen sind etabliert und wurden ja kürzlich erst noch deutlich aufgestockt, aber sie fokussieren eben ausschließlich auf Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Wir wissen, weil wir an der Begleitforschung beteiligt sind, dass man diegeannten Punkte des nachhaltigen Bauens, insbesondere der Grauen Energie, zukünftig in die Förderung einbeziehen sollte. Bislang ist das nachhaltige Bauen aber nur sehr rudimentär in der Förderung enthalten. Ebenso ist die passende Beratungsförderung noch sehr in den Anfängen. Da warten wir darauf, dass in den entsprechenden Institutionen Programme entwickelt werden, die die Bauherren konsequenter dabei unterstützen, nachhaltige Gebäude umsetzen.

Doch mit Blick auf Energieeffizienz und Erneuerbare scheint die Förderung gut angenommen zu werden.

Wir haben jetzt eine Phase hinter uns, in der die Baukonjunktur brummte. Es gibt Bauschaffende, bei denen das Thema angekommen ist. Bei vielen geht es aber leider immer noch unter. Und das, was im Moment von der Energieeinsparverordnung und vom Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz gefordert wird und was an Förderung noch zusätzlich kommt, das wird zwar angenommen, aber es lässt weiterhin jede Menge Luft nach oben. Wir sehen in den letzten Jahren dass das, was elementar wichtig ist, nämlich die Qualifizierung, die Kompetenz im Bereich des energieeffizienten Bauens, dass das in wesentlichen Teilen auf der Strecke geblieben ist. Und es ist auch nachvollziehbar, dass ein Architekt oder Bauingenieur, der den Schreibtisch pickepackevoll hat, nicht dazu kommt, sich konsequent weiterbilden zu lassen.

Also technisch ist sehr viel mehr möglich, als wir meist in der Baurealität sehen. Und jedenfalls mit der Förderung wären energieeffiziente Gebäude auch schon wirtschaftlicher als 0-8-15-Häuser. Liegt es dann doch vor allem am fehlenden Wissen bei Architekten und Bauherren, wenn das Bauen nicht klimagerecht ist?

Ja klar, Bauen ist komplex. Und eine höhere Energieeffizienz schafft eine Steigerung dieser Komplexität. Das Bauen mit Nachhaltigkeit und Energieeffizienz hat mit der Bereitschaft zu tun, sich mit diesen Themen konsequent auseinanderzusetzen, aber auch mit Qualifizierung. Das ist bei den Baubehörden des Bundes  und vieler Bundesländer auch schon angekommen. U.a. deswegen gibt es Energieagenturen, die an diesen Themen arbeiten. Aber es dauert auch eine Weile, bis diese Dinge im Alltag der Planer angekommen sind. Immer, wenn wir über das Gebäudeenergiegesetz reden, dann sprechen wir über das Ganze. Es geht immer um Förderung und um Kompetenzerweiterung bzw. Qualifizierung.

Mal anders gefragt: Ist die Gesetzgebung eventuell nicht relativ egal, wenn die Technik des Bauens und das Wissen darum schon weiter ist? 

Nein, sie ist nicht egal. Es gibt zwar immer Menschen, die unabhängig von dem, was gesetzlich vorgeschrieben ist, Sinnvolles tun, die nachhaltig bauen. Das beobachten wir seit 30 Jahren. Es gibt eine Menge Bauherren und Baufachleute, die so von sich aus handeln. Aber wenn wir nicht die Energieeinsparverordnung und diese gesetzlichen Mindeststandards hätten, dann wären wir nicht annähernd bei dem energetischen Gebäudebestand, den wir jetzt haben. Diese Verpflichtungen gehören in der Breite dazu, um zu guten Ergebnissen zu kommen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass wir mit höheren gesetzlichen Standards im Baubereich schon deutlich weiter sein könnten.

Wohin sollte sich die Gesetzgebung entwickeln? Was wären wichtige Standards?

Die vereinfachte und wesentliche Forderung lautet, über Energieeffizienz hinaus das nachhaltige Bauen in der Gesetzgebung und der Förderung zu verankern. Es steckt mittlerweile, wenn wir energieeffiziente Neubauten betrachten, bis zu 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs eines Gebäudes bei einer Betriebszeit von 50 Jahren in den Baustoffen, die beim Bau verwendet wurden. Insofern ist es notwendig, diesen Aspekt miteinzubeziehen. Das fordern auch viele Fachleute für das Gebäudeenergiegesetz auch jetzt schon. Und wenn man zumindest den Fachleuten in den Ministerien glauben darf, dann ist das bei der nächsten Novelle des GEG, die wohl in zwei bis drei Jahren kommen soll, auch zu erwarten.

Nun haben wir drei wichtige Bereiche. Das sind Energieeffizienz, der noch vernachlässigte Bereich des nachhaltigen Bauens, inklusive der Grauen Energie, und drittens die erneuerbaren Energien. Wie beurteilen Sie hier die Standards? Ist das ausreichend?

Es ist ein wesentlicher Punkt, wie wir im Wärmebereich den Anteil Erneuerbarer steigern können. Vieles läuft hier im Moment über den Faktor Strom, zu wenig über Solarthermie, Biomasse oder Geothermie. Und dabei geht es nicht nur um die Betrachtung des einzelnen Gebäudes, sondern insbesondere auch um Quartiere. Wenn wir im urbanen Bereich mit der Klimaneutralität Ernst machen wollen, dann geht das nicht ohne konsequentes Umstellen auf regenerative Wärme, den Aufbau von Wärmenetzen und die Substitution von Gas. 

Wohin könnte sich das entwickeln?

Nehmen Sie meine Heimatstadt Dortmund. Hier stellt man jetzt ein bestehendes Wärmenetz konsequent auf erneuerbare Energien um und erweitert es. In vielen Städten gibt es schon Ansätze. Und wenn es sie nicht gibt, dann muss man sie schaffen, also Wärmenetze aufbauen und auf erneuerbare Energiequellen umstellen.

Interview: Andreas Witt

 

Die wichtigsten Neuerungen - kompakt für Sie zusammengefasst!
Unser kostenloser Newsletter erscheint alle zwei Monate   Jetzt anmelden!

« zurück zur Übersicht