Ausgabe 03/19

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Neues Beiblatt 2 zu DIN 4108, Barrierefrei-Konzept künftig Pflicht, Weg frei für mehr Mieterstromprojekte, Forderung nach Verankerung von grauer Energie

Ausgabe 3/19 vom 4. Juli 2019



Liebe Leserinnen und Leser,

rund 680.000 Einwohner hat das Bundesland Bremen in Deutschlands Norden. Das ist wahrlich nicht viel gegenüber den fast 18 Millionen, die zum Beispiel Nordrhein-Westfalen in die Waagschale legen kann. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieser überschaubaren Größe ist der Zwei-Städte-Staat eine Region, die man in den nächsten Jahren aufmerksam beobachten sollte: Hier startet gerade ein höchst interessantes Experiment, eines, das man überschreiben könnte mit dem Titel „Wenn Klimaschutz auf Realität trifft“.
Am Tag der Europawahl gingen auch die Bremer an die Urne, zweifach, denn an der Weser stand auch das Landesparlament zur Abstimmung. Der Unterschied im Ausgang: Auf Europaebene war das Abstimmungsverhalten der Deutschen eines von vielen, in Bremen hingegen hat es große Konsequenzen. Ergebnis ist ein Parteienbündnis in ungewöhnlicher Konstellation – und damit eine Koalitionsvereinbarung, die Klimaschutz zum obersten Gebot macht.
Auf rund 140 Seiten haben SPD, Grüne und die Linke niedergeschrieben, was die politische Zukunft Bremens in den nächsten vier Jahren prägen soll. Klimaschutz ist dabei als Grundlage jeder einzelnen politischen Entscheidung definiert. Aus der Kohleverstromung will man schon bis 2023 aussteigen und Unternehmen sollen ihren Anteil zur Reduktion von Treibhausgasen leisten. Geplant ist auch der Bau von 10.000 neuen Wohnungen. So weit, so gut. Aber: Bremen ist finanziell gebeutelt – was kann es sich buchstäblich leisten? Und: Was passiert bei Zielkonflikten? Bremen ist quasi ein Modellversuch zu der zentralen Frage, die auch bundesweit auf uns zukommen könnte: Wie ernst meinen wir es denn mit unseren hehren Zielen? Und: Bremen hat einen Zeitvorsprung, aus dem sich für die Bundesebene – eventuell – Lehren ableiten ließen. Wie gesagt: Blicken wir in den Norden, es lohnt sich.
 
Ihr Manfred Rauschen
Geschäftsführender Gesellschafter
 
 
 
Wichtiges Hilfsmittel: Neues Beiblatt 2 zur DIN 4108 ersetzt veraltete Vorgängerversion
Benutzen Sie immer noch Ihr Smartphone von 2006? Wohl kaum. Die Frage, die im Kommunikationsbereich kurios anmutet, hat im Baubereich durchaus ihre Berechtigung: Während sich in der Zwischenzeit Bauweisen und -materialien stark verändert haben, mussten sich die Bauakteure beim Beiblatt 2 zur DIN 4108 bislang mit einer 13 Jahre alten Fassung abmühen. Dabei ist dieses Beiblatt das wichtigste Hilfsmittel für die energetische Bewertung von Wärmebrücken und für Gleichwertigkeitsnachweise. Mit diesem Missstand ist jetzt Schluss: Nach einer Entwurfsfassung von 2017 liegt nun eine fertige Neufassung mit dem Ausgabedatum 06-2019 vor, die mit dem Gebäudeenergiegesetz eingeführt werden soll.
Gegenüber der veralteten Vorgängerversion enthält diese zahlreiche Änderungen; so wurden Anhänge überarbeitet und neue Formblätter zur Dokumentation der Nachweise aufgenommen. Wichtig ist auch die Einführung zweier unterschiedlicher Niveaus zur Ermittlung des pauschalen Wärmebrückenzuschlages (eine Kategorie mit 0,05 W/m²K und eine mit 0,003 W/m²K). Was Sie über das neue Beiblatt 2 wissen sollten, haben wir für Sie hier übersichtlich zusammengestellt.
 
 
Stolperfallen ade: Landesbauordnung NRW macht Barrierefrei-Konzept künftig zur Pflicht
Es gibt wohl kaum ein Thema, das die Messe- und Kongresswirtschaft nicht in Form einer Veranstaltung aufgreift. Folgerichtig stolperten wir unlängst über den Titel eines Expertentreffens in Madrid, der da lautet „Slips, trips & falls“. Auf Deutsch: Es geht ums Ausrutschen, Stolpern und Hinfallen. Damit alles drei bei Ihren Bauprojekten nicht eintritt, sollten Sie auf Barrierefreiheit achten. Zwischen Rhein und Weser wird das Thema nun weiter forciert: Mit der Landesbauordnung (LBO) NRW wurden zum Jahresbeginn 2019 neue Vorschriften zur Barrierefreiheit eingeführt. Was viele nicht wissen: 2020 kommt eine weitere Anforderung auf Planer zu.
Mit der LBO NRW wurde – über § 9a BauPrüVO - ein Barrierefrei-Konzept neu eingeführt. Dieses wird ab dem 1. Januar verbindlich für neu zu errichtende öffentlich zugängliche Gebäude, die zugleich Sonderbauten sind. In einem lesenswerten Artikel für das „DAB“ erläutert der Sachverständige Dirk Michalski die neue Sachlage. Ein weiterer Lesetipp in diesem Zusammenhang ist der „Leitfaden Barrierefreies Bauen“, den das Bundesbauministerium hat erarbeiten lassen.
 
 
Bundesrat schwimmt mit dem Strom: Beschluss zur Körperschaftssteuer macht Weg frei für mehr Mieterstromprojekte
Strom vom Dach: eine gute Sache – und daher ein Nebenerwerb für immer mehr Deutsche. Was aber tun, wenn die eigenen vier Wände eben nicht „eigene“ sind, sondern einem Vermieter gehören? Das ist bei gut der Hälfte der Deutschen der Fall. Der Druck beim Klimaschutz hat auch hier einiges in Bewegung gebracht: Es gibt Neuigkeiten beim Mieterstrom.
Ein am 28. Juni vom Bundesrat gefasster Beschluss erleichtert es, entsprechende Projekte umzusetzen: Genossenschaften oder Vereine, die Wohnungen vermieten, können künftig 20 Prozent ihrer Einnahmen (statt bislang nur zehn) abseits des Kerngeschäfts erzielen, ohne ihre Befreiung von der Körperschaftssteuer zu riskieren – auch bekannt als „erweiterte Gewerbesteuerkürzung“. Die Erhöhung gilt allerdings nur, wenn die Einnahmen aus der Lieferung von Mieterstrom stammen. Die Bundesrats-Entscheidung fiel im Zusammenhang mit der geplanten steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus und wird von Ökostrom-Anbietern begrüßt. „Die Steuerproblematik hat viele Immobiliengesellschaften vom Einstieg in Mieterstromprojekte abgehalten, auch wenn schon heute risikofreie Projektkonstellationen möglich sind“, sagt zum Beispiel Naturstrom-Vorstand Dr. Tim Meyer. Das „Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus“ (Volltext hier) bedarf nun nur noch der Unterschrift des Bundespräsidenten.
 
 
Studie von Steinbeis und Helmholtz als Fundament: Bauwende-Bündnis fordert
Verankerung der grauen Energie in den KfW-Förderungen
In der Mai-Ausgabe dieses Newsletters hatten wir darüber berichtet: Die „graue Energie“, also Umweltbelastungen, die bei Herstellung, Transport, Verarbeitung und Entsorgung von Baumaterialien entstehen, sollte im künftigen Gebäudeenergiegesetz (GEG) berücksichtigt werden. Das fordert das „Bauwende-Bündnis“. Nun nimmt dieser Zusammenschluss von Marktakteuren aus dem nachhaltigen und klimaschonenden Bauen einen weiteren Bereich ins Visier: Auch in die KfW-Förderung für energieeffizientes Bauen und Sanieren soll die graue Energie eingehen, so das Bauwende-Bündnis.
Bestätigt sehen sich die Mitwirkenden der Initiative (zu denen auch das Öko-Zentrum NRW zählt) durch eine aktuelle Studie des Steinbeis-Transferzentrums für Energie-, Gebäude- und Solartechnik und des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik im Auftrag der Bundesregierung. Die Autoren kritisieren die bisherige Vernachlässigung der grauen Energie. Da ordnungsrechtliche Änderungen – siehe die aktuelle GEG-Diskussion - langwierig seien, sollte bei der KfW-Förderung zum Bauen und Sanieren ein erster Schritt gemacht und anschließend die gesamte KfW-Förderpalette auf eine gesamtenergetische Betrachtung über den ganzen Lebenszyklus umgestellt werden. Für einen zügigen Einstieg in diesen Ansatz empfiehlt die Studie eine vereinfachte Nachweismethode und rät zu CO2-basierten Messindikatoren.

 
70 Prozent weniger Treibhaus-Gase: NRW ehrt vorbildliche Schulen und Bürogebäude
Ostwestfalen und Münsterland, Rheinland, Ruhrgebiet und Bergisches Land: NRW war flächendeckend vertreten bei der Feier, zu der das NRW-Wirtschaftsministerium Mitte Juni nach Düsseldorf eingeladen hatte. Gemeinsam mit der EnergieAgentur.NRW konnte Staatssekretär Christoph Dammermann sechs Schulen und Bürogebäude auszeichnen, die wegen ihrer weit überdurchschnittlichen Energieeffizienz Vorbildfunktion haben.
Die Kriterien und Grenzwerte für das Auszeichnungsprojekt „Energieeffiziente Nichtwohngebäude“ hatte das Öko-Zentrum NRW entwickelt. Mit der Ehrung soll die Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden in den Fokus gerückt werden, die für mehr als ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs von Gebäuden in Deutschland verantwortlich sind. Die jetzt gewürdigten Bauvorhaben verursachen bis zu 70 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als der Durchschnitt. Es handelt sich um die Lore-Lorentz-Schule in Düsseldorf, das Verwaltungsgebäude der Stadtwerke Lemgo, die Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule in Wuppertal, das Felix-Fechenbach-Berufskolleg in Detmold, das Bürogebäude H7 in Münster und das RAG-Verwaltungsgebäude in Essen.
 
 
Auch der eaD meldete sich zu Wort: GEG-Verbändeanhörung endete im Juni
Das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude“ - besser bekannt als „Gebäudeenergiegesetz“ (GEG) - hat ein weiteres Etappenziel erreicht: Während der Referentenentwurf noch in der Ressortabstimmung zwischen den betroffenen Ministerien feststeckt (aus der sich „noch Änderungen ergeben können“, wie es auf der Website des BMWi heißt), startete Ende Mai parallel bereits die Länder- und Verbändeanhörung. Bis zum 28. Juni 2019 konnten Stellungnahmen zu dem Referentenwurf eingereicht werden.
Die einzelnen Beiträge will das BMWi auf seiner Website veröffentlichen - was bis zum Versandtermin dieses Newsletters allerdings noch nicht erfolgt ist. Fest steht indessen, was der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD) zum GEG-Entwurf sagt: Die Zusammenführung und die Weiterentwicklung des Energieeinsparrechts wird grundsätzlich begrüßt, zugleich moniert der eaD aber auch, der Entwurf setze „leider keine Impulse im Sinne der vom Bund erstellten Gebäudeeffizienzstrategie“. Der Verband (dem auch das Öko-Zentrum NRW angehört) fordert größere Änderungen, so die Einführung der Standards Effizienzhaus 40 bei Neubau und Effizienzhaus 55 bei Sanierung. Die gesamte eaD-Stellungnahme lesen Sie hier.
 
 
Fakten-Fundgrube auf Basis von einer Million Einzelwerten: Web-Portal zu Energiedaten von Wohngebäuden in Deutschland
"Traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast", soll Winston Churchill gesagt haben. Während die Zuschreibung dieses Zitats äußerst fraglich ist, sind die Statistiken, die jetzt zum Energieverbrauch in Gebäuden veröffentlicht wurden, weit entfernt von jedem Fälschungsverdacht. Zusammen mit dem Umweltbundesamt hat die co2online gGmbH über eine Million Datensätze zum Energieverbrauch in Gebäuden aufgearbeitet und in Form von Tabellen und Grafiken auf einem Web-Portal veröffentlicht. Selbst Energieexperten werden hier auf überraschende Fakten stoßen.
Das unter der Webadresse https://www.wohngebaeude.info/ einsehbare Material zeigt den Verbrauch und Modernisierungsstand von Gebäuden in ganz Deutschland, lässt sich aber auch auf einzelne Bundesländer herunterbrechen. Dadurch ist es eine sehr gute Argumentationshilfe beim Aufbau von Klimaschutz- oder Sanierungskampagnen. Nur ein Beispiel: Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Energieeffizienz in Gebäuden zwischen 2002 und 2012 stark zugenommen hat, seitdem aber stagniert. Anders gesagt: Seit Jahren verschenken wir Klimaschutzpotenziale und Energie(kosten) - und das sind, statistisch belegt, keine „Fake News“.
 
 
Schnittstellenaufgabe Luftdichtheit: nützliche Broschüre mit vielen FLiB-Charts
„Stell‘ Dir vor es ist Sanierung und einer geht hin“. Genau das ist – etwas flapsig formuliert – die Aufgabenstellung, die am Anfang der neuen Broschüre des Fachverbandes Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB) steht. Diese heißt schlicht „Luftdichtheitskonzept“ und erläutert anhand eines Musterbeispiels, nämlich der Sanierung eines Einfamilienhauses, sehr praxisnah, was für eine solche Planung zu tun ist: Das Spektrum reicht von der Planung der luftdichten Ebene über die Ausführung bis hin zur Erfolgskontrolle. Der oder die „eine“ auf der Baustelle ist dabei bewusst nicht näher definiert: Die 28-seitige Publikation richtet sich an alle Baubeteiligten, bei denen die Luftdichtheit von Gebäuden eine Rolle spielt.
Unterstützt wird die Aussagekraft der Planungshilfe durch Überblicksgrafiken, die die zentralen Arbeitsfelder visualisieren, so die Dachsanierung, den Fenster- und Haustürtausch sowie die WC-Sanierung. Insgesamt wird deutlich: Luftdichtheit ist eine gewerkeübergreifende Schnittstellenaufgabe mit entsprechend großem Abstimmungsbedarf. Die Broschüre „FLiB – Luftdichtheitskonzept“ gibt es auf der Website des Verbandes als kostenlosen Download.

 
 
Termine und Lehrgangsstarts
Erweitern Sie Ihre Kompetenz und damit Ihren Kundenkreis. Auf unserer Internetseite finden Sie eine Übersicht unserer Fernlehrgänge und Online-Seminare.


Hier eine Vorschau auf die nächsten Termine:
 
ab 05.07.2019   -        Fernlehrgang „effizienzhausplaner24“ (Hamm – Einstieg noch möglich)
10.09.2019        -        kostenlose Infoveranstaltung „feuchteschimmel24“ (in Köln)
ab 13.09.2019   -        Fernlehrgang „gebäudeenergieberater24“ (Hamm)
ab 25.10.2019   -        Fernlehrgang „feuchteschimmel24“ (Köln)
ab 13.12.2019   -        Fernlehrgang „baubiologie24“ (Hamm)
ab Januar 2020  -        Fernlehrgang „energieplaner24“ (Hamm)
 
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Tagungen und Kongresse:
24.04.2020 – Kommunenveranstaltung 2020

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